Das Wohlergehen der Prüfungsteilnehmenden, aber auch die Versorgung der Gesellschaft mit sicheren und wirksamen Therapien und Diagnostika ist ein hohes Anliegen der Ethik-Kommissionen. Es gilt, die laufenden klinischen Prüfungen so weit wie möglich weiterzuführen. Dabei sind gerade und auch in der Pandemiesituation das Wohlergehen, die Sicherheit und die Rechte der Teilnehmenden (auch zukünftiger Patienten und Patientinnen) zu schützen. Es ist gerade in Zeiten begrenzter Ressourcen ein ethisches Gebot diese zu teilen. Dazu gehört auch, dass Erkenntnisse, grundsätzlich auch gesammelte Proben und Daten zeitnah anderen wissenschaftlich Tätigen zur Erforschung der COVID-19-Infektion zugänglich werden.
Die aktuelle Guidance der Europäischen Kommission und der EMA zu Fragen des Umgangs mit klinischen Prüfungen in Zeiten der Covid-19-Pandemie finden Sie hier:
Anpassungen in der Durchführung klinischer Prüfungen sind häufig komplex. Für die Risikobewertung in der Verantwortung des Sponsors sollen hier ergänzende Hinweise gegeben werden. Allerdings müssen nicht alle Anpassungen den Bundesoberbehörden oder Ethik-Kommissionen vorgelegt werden. Eine Einreichung ist in der Regel nur erforderlich, wenn die Anpassungen die Voraussetzungen einer genehmigungs-/bewertungspflichtigen Änderung im Sinne von § 10 Abs. 1 GCP-V oder einer Mitteilungspflicht nach § 13 GCP-V erfüllt. Von anderen Einreichungen „zur Kenntnis“ oder „zur Information“ sollte im Interesse eines sinnvollen Ressourceneinsatzes abgesehen werden, vgl. dazu die zitierte Guidance der europäischen Behörden: “Sponsors are encouraged to take into account the limited capacity of assessors, and submit only high quality, complete applications containing only the necessary changes. Over-reporting should be avoided (Art. 11b of Directive 2001/20/EC CT-1section 3.9)”.
Weitere Hinweise und Regelungen finden Sie hier:
Beim Einsatz von Telemedizin sind die erforderlichen Standards einschließlich der Anforderungen an den Datenschutz einzuhalten. Sollten externe Dienstleister, z. B. Pflegedienste, studienbezogene Aufgaben übernehmen, ist darauf zu achten, dass die von diesen erhobenen Quelldaten dem Prüfer übermittelt werden und die eingesetzten Personen dem Prüfer weisungsuntergeben und berichtspflichtig sind. Die Prüfstellenbeschreibungen müssen entsprechend angepasst werden. Im begründeten Einzelfall können diese Maßnahmen zum Schutz vor unmittelbarer Gefahr gemäß § 11 GCP-V erfolgen. Die unverzügliche Unterrichtungspflicht gemäß § 13 Abs. 5 GCP-V bleibt dabei unverändert bestehen.
Siehe gemeinsame Stellungnahme des BfArM „Ergänzende Empfehlungen zur Europäischen Guidance on the Management of Clinical Trials during the COVID-19 (Coronavirus)pandemic“:
Es ist zunächst durch eine Risiko-Nutzen-Analyse festzulegen, zu welchem Zweck, zu welchen Zeitpunkten und in welchem Umfang das Monitoring in der betreffenden, klinischen Prüfung trotz der Einschränkungen durch die COVID-19-Pandemie erforderlich bleibt. Soweit dies erforderlich ist, wird dringend empfohlen, ein Remote Monitoring in Form von Telefon– und/oder Video-Visiten auf wesentliche Kerndaten zu beschränken, um eine unnötige zusätzliche hohe Belastung für Prüfer und Prüfteam zu verhindern. Hierzu gehören die üblicherweise für die kontinuierliche Nutzen-Risiko-Bewertung erforderlichen Daten wie die Verifizierung der Einhaltung von Ein– und Ausschluss-kriterien sowie der vollständigen Erfassung von (schwerwiegenden) unerwünschten Ereignissen (Pharmakovigilanz) und ggf. wesentlicher Zielparameter. Es sollte in diesem Zusammenhang auch geprüft werden, ob die Monitoring-Aktivitäten zwischenzeitlich ausgesetzt oder zumindest reduziert werden können.
Die Möglichkeit eines Fernzugriffs auf Quelldaten kann als vorübergehende Lösung im Rahmen der COVID-19-Pandemie ausnahmsweise erwogen werden. Als konkrete Möglichkeit bietet sich hierfür die Einsicht in vorbereitete Studienunterlagen und –aufzeichnungen per Kamera an. Dabei müssen jedoch die essentiellen, datenschutzrechtlichen Anforderungen gewährleistet bleiben. Unterlagen oder Aufzeichnungen mit personenbezogenen Daten der Prüfungsteilnehmer dürfen das Prüfzentrum nicht verlassen, auch nicht als Kopie und es darf somit keine dauerhafte Speicherung außerhalb des Prüfzentrums erfolgen. Übermittlung von Daten und/oder Dokumenten jeder Art, die über die reine Übertragung eines Kamerabildinhaltes hinausgehen sowie die Verwendung von Cloud-Lösungen bleiben auch in dieser Situation grundsätzlich unzulässig. Gleiches gilt für die Übermittlung solcher Kamerabildinhalte in Drittländer. Die Informations– und Kommunikationstechnologie muss so ausgestaltet sein, dass eine DSGVO-konforme Übertragung gewährleistet ist. Im Regelfall sind die bekannten Messenger-Dienste zu diesem Zweck ungeeignet. Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf das Whitepaper „Technische Datenschutzanforderungen an Messenger-Dienste im Krankenhausbereich“ der Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder vom 07.11.2019 .
Es ist zudem sicherzustellen, dass Video-Monitoring in Übereinstimmung mit der schriftlichen Einverständniserklärung der Prüfungsteilnehmer ausschließlich von dem autorisierten Personenkreis des Sponsors (d.h. dem/der klinischen Monitor*in) durchgeführt wird.
Das konkrete Vorgehen muss in das datenschutzrechtlich verankerte Verzeichnis von Verarbeitungstätigkeiten als definierter Ausnahmefall mit Start– und Enddatum aufgenommen werden.
Vor der Implementierung von Video-Monitoring-Besuchen ist es erforderlich, den Monitoring-Plan und/oder das Monitoring-Manual entsprechend zu erweitern und/oder anzupassen. Die dort vorgegebenen Instruktionen sollten ein strukturiertes Vorgehen und eine ordnungsgemäße Dokumentation gewährleisten. Der geänderte Monitoring-Plan und/oder das geänderte Monitoring-Manual sind ebenso wie die Dokumentation zur Durchführung des Videomonitorings oder sonstiger angepasster Monitoringmaßnahmen im Trial Master File abzulegen. Die Notwendigkeit, Eignung und Einhaltung der festgelegten Änderungen sind in periodischen Abständen zu überprüfen.
Das aufgrund der COVID-19-Pandemie angepasste Monitoring ist nach Abschluss der klinischen Prüfung im Studienbericht zusammenzufassen.
Die vorübergehende Anpassung des Monitoringplans und/oder des Monitoringmanuals macht in Deutschland keine Einreichung eines Änderungsantrags bei der zuständigen Bundesoberbehörde und Ethik-Kommission gemäß § 10 GCP-V notwendig, da diese Dokumente in der Regel nicht Gegenstand der Bewertung/Genehmigung sind.
Sofern die Art und Anzahl der Visiten reduziert werden soll, ist mit einer Nutzen-Risiko-Abwägung für jede einzelne Maßnahme im Antrag auf Bewertung nachträglicher Änderungen darzulegen, dass das Risiko für die betroffene Person vertretbar und die Aussagekraft und die Validität der Daten weiter-hin gegeben ist. Dies betrifft z. B. der Ersatz von Visiten durch Telefon– und/oder Videovisiten oder die Streichung von ursprünglich vorgesehenen Visiten oder hierin enthaltenen Maßnahmen und Untersuchungen. Bei allen telemedizinischen Vorgängen ist die Einhaltung der geltenden Datenschutzvorschriften zu gewährleisten.
Gemäß § 8 Abs. 2 MedBVSV bewertet die federführende Ethik-Kommission bei Arzneimittelprüfungen, die der Vorbeugung oder der Behandlung von COVID-19 dienen, ohne Benehmen mit den beteiligten Ethik-Kommissionen. Einer Zusendung von Antragsunterlagen an die beteiligten Ethik-Kommissionen bedarf es daher in diesen Fällen nicht. Dies gilt auch für nachträgliche Änderungen, wie beispielsweise Prüfstellennachmeldungen.
AMG
Die Durchführung einer klinischen Prüfung setzt voraus, dass an einer Prüfstelle ein Prüfer und mindestens ein Stellvertreter zustimmend bewertet und mindestens eine von beiden Personen anwesend sein muss. Ziel dieser Regelung ist, dass stets eine Person vorhanden ist, die vor Ort die klinische Prüfung leitet und überwacht, auch wenn die zweite genannte Person verhindert ist. Insofern ist der begrenzte Ausfall eines Prüfers oder Stellvertreters kein zwingender Anlass für die Nachmeldung eines Prüfers oder Stellvertreters, solange eine Person (Prüfer oder Stellvertreter) die Aufgaben des Prüfers an der Prüfstelle wahrnimmt. Jedoch muss bei einem absehbar längerfristigen Ausfall ein LKP, Prüfer oder Stellvertreter nachgemeldet werden.
MPG
Es muss immer ein einziger Prüfer oder Hauptprüfer an einer Prüfstelle vorhanden sein. Sollten weitere Prüfer an einer Prüfstelle tätig sein, sind Änderungen immer anzeige– bzw. bewertungspflichtig.
Wenn studienspezifische medizinische Maßnahmen an anderen Stellen als in der Prüfstelle durchgeführt werden, z. B. um den Prüfungsteilnehmern Reisen zu ersparen, ist sorgfältig zu prüfen, ob diese Stellen als Prüfstellen anzusehen sind. Das ist im Zweifel zu verneinen, wenn diese Maßnahmen (etwa Maßnahmen der täglichen Routine wie Blutentnahmen, und die zur Risikominimierung nicht der Ausstattung einer Prüfstelle bedürfen) keine genauen Kenntnisse des Prüfplans erfordern und daraus gezogene Schlussfolgerungen gemäß dem Prüfplan einem Prüfer obliegen. Hiervon ausgenommen ist die Abwendung unmittelbarer Gefahr (vgl. Guidance on the management of clinical trials during COVID-19 pandemic (Version 3.0), https://ec.europa.eu/health/sites/health/files/files/eudralex/vol-10/guidanceclinicaltrials_covid19_en.pdf). Eine im Voraus geplante Auslagerung ist nicht als Maßnahme zur Abwendung unmittelbarer Gefahr anzusehen.
30/07/2020
Sowohl der Versand von Prüfarzneimitteln als auch rSDV betrifft die medizinischen Belange des Patienten im engeren Sinne nicht. Insbesondere bei Versand des Arzneimittels, ggf. auch beim rSDV sind jedoch datenschutzrechtliche Belange betroffen, über die der Patient nach Art. 14 DSGVO informiert werden muss. Auch nach Abschnitt 4.8.10 ICH GCP muss der Prüfungsteilnehmer über relevante Änderungen informiert werden. Bezüglich der datenschutzrechtlichen Aspekte besteht keine einheitliche Einschätzung dazu, ob hierzu eine erneute Einwilligung erforderlich ist. Aus arzneimittelrechtlicher Sicht ergibt sich im Regelfall keine Pflicht zur erneuten Einwilligung. Die datenschutzrechtliche Einwilligung ist jedoch an keine bestimmte Form gebunden, sondern setzt lediglich ein eindeutiges, aktives Handeln der betroffenen Person voraus. Insofern kann die Einwilligung in jedem von Ihnen bereits skizzierten Weg (fernmündlich, schriftlich, E-Mail, etc.) eingeholt werden. Da diese rechtmäßig ist, bedarf es im Nachgang auch keiner erneuten Einwilligung. Davon unbenommen müssen natürlich die Informationen und Einwilligungserklärungen für noch einzuschließende Patienten aktualisiert werden, damit diese bereits zum Einschluss ordnungsgemäß informiert werden. Auch besteht kein Zweifel daran, dass die datenschutzrechtliche Einwilligung und das Bereitstellen der Information an den Prüfungsteilnehmer nachvollziehbar, schriftlich dokumentiert werden muss. Hierzu kann eine entsprechende Eintragung in der Patientenakte genügen.
Insbesondere wenn medizinische Maßnahmen nicht an der Prüfstelle selbst, sondern beispielsweise beim Patienten zuhause durchgeführt werden und hierfür externe Dienstleister eingebunden werden sollen, ist sicherzustellen, dass der Prüfer in den die klinische Prüfung betreffenden Angelegenheiten weisungsbefugt ist. Es ist knapp darzulegen, wie der Prüfer seine Anleitungs– und Über-wachungsaufgabe wahrnehmen kann. Der Zugriff des Prüfers auf die Quelldaten ist während und auch nach Ende der klinischen Prüfung sicherzustellen. Eine entsprechende Beschreibung ist den Antragsunterlagen beizufügen.
AMG
Bei der Einreichung ist grundsätzlich die Schriftform gesetzlich vorgeschrieben (§ 7 Abs. 1 GCP-V). Es genügt jedoch, dass das Anschreiben in Schriftform eingereicht wird und hierin auf elektronische eingereichte Unterlagen verwiesen wird. Die Schriftform ist ggf. auch gewahrt, wenn das elektronische Anschreiben mit einer qualifizierten Signatur versehen ist. Aufgrund der eingeschränkten Möglichkeiten in der Pandemiesituation erscheint es jedoch vertretbar, dass die Einreichung ausschließlich auf elektronischem Wege erfolgt.
Sponsoren werden gebeten, insbesondere bei rein elektronischer Einreichung die Anlagen aussagekräftig zu benennen und zu sortieren. Insbesondere sollen Unterlagen, die zu einer Prüfstelle gehören, zusammengefasst werden, d.h. die Nachweise zu einer Prüfstelle und den dazugehörigen Personen möglichst in einem Ordner oder mit einer gemeinsamen Nummerierung (z.B. Anlage 8., 8.2, …) gruppiert werden.
Für die Kommunikation der beteiligten Ethik-Kommission mit der federführenden Ethik-Kommission oder dem Antragsteller ist keine gesetzliche Form vorgeschrieben. Zumal viele Antragsteller und auch manche Ethik-Kommissionen keinen gewährleisteten Zugang zu Post oder Fax haben, kann die Kommunikation per E-Mail erfolgen.
Auch für die federführende Ethik-Kommission sieht die GCP-V keine Formvorgabe zum Übermittlungsweg vor. Daher kann auch hier anstelle der Schriftform eine andere Übermittlungsform gewählt werden.
MPG
Die Antragstellung erfolgt stets über das Medizinprodukte-Informationssystem des DIMDI. Für die zuständige Ethik-Kommission genügt die Information des Antragstellers zum Antragseingang über das DIMDI-Portal. Die beteiligten Ethik-Kommissionen sollten nachrichtlich per E-Mail informiert werden. Die beteiligten Ethik-Kommissionen richten ihre Korrespondenz ausschließlich an die zuständige Ethik-Kommission, vorzugsweise per E-Mail.
Die Bewertung der zuständigen Ethik-Kommission wird dem Antragsteller, der Bundesoberbehörde und den beteiligten Ethik-Kommissionen über das DIMDI-Portal übermittelt. Zusätzlich erfolgt an den Antragsteller die Übermittlung des Bewertungsschreibens in Schriftform (Brief oder Fax). Falls die Schriftform in der Ausnahmesituation nicht gewahrt werden kann, kann diese zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden.
Die vorbeschriebene Arbeitsweise entspricht der geltenden MPKPV.
Bei Patienten mit akuter Infektion mit Covid-19
Die Lösungsansätze in der „Guidance on the Management of Clinical Trials during the COVID-19 -(Coronavirus) pandemic Version 2 (27/03/2020)“ werden grundsätzlich begrüßt. Soweit ein unabhängiger Zeuge einbezogen wird, ist in Deutschland darauf zu achten, dass dieser Zeuge keine bei der Prüfstelle beschäftigte Person und kein Mitglied der Prüfgruppe sein darf. Die mündlich erteilte Einwilligung ist schriftlich zu dokumentieren, zu datieren und von dem Zeugen zu unterschreiben (vgl. § 40 Abs. 1 S. 5 und 6 AMG).
In anderen, laufenden klinischen Studien und Prüfungen zu Änderungen
Über Änderungen in laufenden klinischen Prüfungen kann der Arzt/die Ärztin des Prüfungsteams ggf. auch fernmündlich aufklären. Hierbei muss er/sie sich jedoch in geeigneter Weise versichern, dass mit der betroffenen Person korrespondiert wird. Es ist zu dokumentieren, welche Maßnahmen hierzu getroffen werden (z. B. Kontrollfragen). Die Aufklärungsunterlage sollte der betroffenen Person grundsätzlich in Papierfassung zugesandt werden; ggf. kann vorab eine elektronische Version bereitgestellt werden. Bei elektronischer Kontaktaufnahme ist darauf zu achten, dass die Bestimmungen des Datenschutzes eingehalten werden. Die unterzeichnete Einwilligungserklärung sollte von der betroffenen Person kostenfrei an den Prüfer zurückgesandt werden können. Etablierte elektronische Einwilligungslösungen, die den rechtlichen Anforderungen in Deutschland und der Dokumentationspflicht des Arztes genügend, sind nicht bekannt.
Die parallele Durchführung von klinischen Prüfungen/Studien an einem Prüfzentrum kann auch vorteilhaft sein, da Prüfsubstanzen mit unterschiedlichem Wirk– und Risikoprofil oder andere Therapieoptionen individuell für die betroffenen Patienten ausgewählt werden können. Jedoch muss sichergestellt sein, dass an der Prüfstelle ausreichende Kapazitäten zur Durchführung unterschiedlicher Studien zur Verfügung stehen und alle aktiven Studien bekannt sind.
Es muss durch geeignete Maßnahmen verhindert werden, dass betroffene Personen versehentlich gleichzeitig an mehreren klinischen Prüfungen/Studien teilnehmen. Die gleichzeitige Teilnahme an klinischen Prüfungen und Studien ist nur unter engen Vorrausetzungen und in Ausnahmefällen möglich. Dies bedarf der transparenten Darstellung gegenüber der/den zuständigen Ethikkommission/en.
Insbesondere für Studien, bei denen Daten und Proben zu Patienten gesammelt werden, ist es empfehlenswert, dass die Forschungsaktivitäten auch vor Ort koordiniert erfolgen, um einerseits eine Mehrfachansprache des Patienten auf verschiedene Studien zu vermeiden und andererseits auch Forschungsressourcen zu bündeln. Gesundheitsrisiken z. B. durch häufige Blutentnahmen müssen überwacht und minimiert werden.
Überlappende Fragestellungen mit redundanten Interventionen an denselben Patienten können aus ethischer Sicht zu einer negativen Nutzen-Risiko-Bewertung der betroffenen Studien führen.
Eine Rekrutierungsunterbrechung für sich genommen ist weder bewertungs– noch anzeigepflichtig. Allerdings kann sich eine Anzeigepflicht ergeben, wenn sich hieraus Auswirkungen auf die Sicherheit der betroffenen Personen ergeben (§ 13 Abs. 4 Nr. 4 GCP-V) oder wenn sich hieraus eine Gefährdung des Versicherungsschutzes ergibt (z. B. wegen der Verlängerung der Rekrutierung). Bei Weiterführung der Studientherapie und/oder Nachbeobachtung bedarf es nach Umsetzung der Maßnahme nach § 11 GCP-V einer Bewertung als nachträgliche Änderung (vgl. § 10 Abs. 1 GCP-V).
Ein Abbruch der klinischen Prüfung ist nach § 13 Abs. 8 GCP-V anzeigepflichtig. Sofern dieser als Maßnahme zur Abwehr unmittelbarer Gefahr erfolgt, können und müssen Sponsoren und Prüfer diese unverzüglich nach § 11 GCP-V in eigener Verantwortung durchführen und hierüber die Bundesoberbehörde und die Ethik-Kommission gemäß § 13 Abs. 5 GCP-V informieren.
Es ist die Pflicht des Sponsors und des Prüfers, Nutzen und Risiken der jeweiligen Maßnahmen abzuwägen und entsprechend zu handeln. Über die Rekrutierungsunterbrechung, die Unterbrechung oder Abbruch der Studie hinaus sollten ggf. auch andere Maßnahmen zum Schutz der betroffenen Personen (Patienten und Prüfungsteam) erwogen werden. Sofern die Studientherapie integraler Teil der Behandlung darstellt (z. B. bei onkologischen Therapien, seltenen Erkrankungen u. a.), ist darauf zu achten, dass Studienteilnehmer nicht schlechter gestellt werden als Patienten unter Standardbehandlung. Den studiendurchführenden Ärztinnen und Ärzten sollte es daher insbesondere bei schwerwiegenden Indikationen (z. B. onkologischen Therapien) möglich sein, bereits eingeleitete Studientherapien prüfplankonform fortzuführen. Es sei darauf hingewiesen, dass gerade bei lebensbedrohlichen Indikationen auch im Fall einer Standardbehandlung eine Krankenhausaufnahme und/oder regelmäßige Visiten unverzichtbar sind, unabhängig von der Frage, ob eine Behandlung im Studienkontext erfolgt oder nicht, und die Studienteilnahme insofern für die betroffene Person keine zusätzlichen studienbedingten Kontaktrisiken birgt.
Trotz der Dramatik von Covid-19 darf nicht in den Hintergrund treten, dass es auch viele andere Patienten mit schwerwiegenden und tödlichen Erkrankungen gibt, die nicht adäquat behandelt werden können. Auch hierzu bedarf es weiterhin intensiver Forschung in klinischen Studien.
Die Wiederaufnahme der Rekrutierung sowie die Weiterführung der Studientherapie und/oder Nachbeobachtung bedarf es nach Umsetzung einer Maßnahme nach § 11 GCP-V einer Bewertung als nachträgliche Änderung gemäß § 10 Abs. 1 GCP-V.
Trotz des drängenden Problems, rasch Erkenntnisse zur Diagnostik und Therapie zu COVID-19-Erkrankung zu gewinnen, ist es ethisch und wissenschaftlich geboten, dass die Studien, insbesondere interventionelle Studien, eines fundierten biostatistischen Konzepts bedürfen. Dies wird im Regelfall nach derzeitigem Stand bedeuten, dass interventionelle Studien als kontrollierte Studien mit einem Vergleichsarm (ggf. Placebo oder im Add-on-Design) durchgeführt werden. Bei der Planung muss die vorhandene Evidenz nach dem aktuellsten Stand berücksichtig werden. Diese muss in der Studienrationale einschließlich einer ausführlichen Nutzen-Risiko-Betrachtung im Prüfplan ausgeführt werden. Nur qualitativ hochwertige Studien können von der Ethik-Kommission zustimmend bewertet werden.
Auch bei Beobachtungsstudien und Studien, bei denen Biomaterial gesammelt bzw. analysiert wird, ist es erforderlich, dass bereits vorhandene Forschungsaktivitäten bei der Studienplanung berücksichtigt werden. So ist grundsätzlich zu erwägen, sich an bereits vorhandenen, insbesondere internationalen multizentrischen Registern o. ä. zu beteiligen, bevor lokale eigenständige Lösungen initiiert werden.
Alle Studien, auch z. B. reine Daten– und/oder Probensammlungen, sollen in einem von der WHO anerkannten öffentlichen Studienregister registriert werden, wie z. B. dem DRKS beim DIMDI. Der Bitte der WHO entsprechend soll den Antragstellern empfohlen werden, im Studientitel „COVID-19″ zu erwähnen oder in Klammern dem Studientitel nachzusetzen, um eine einheitliche Identifizierung von klinischen Studien zu erleichtern. Die Ethik-Kommissionen wirken entsprechend hierauf hin.
Siehe gemeinsame Stellungnahme des BfArM und des AKEK „Ergänzende Empfehlungen zur Europäischen Guidance on the Management of Clinical Trials during the COVID-19 (Coronavirus)pandemic“:
Die nachfolgend gegebenen Empfehlungen beziehen sich ausschließlich auf Prüfarzneimittel, die vom Prüfungsteilnehmer eigenständig oder mit Hilfe von Angehörigen oder anderen bereits in dessen Versorgung regulär eingebundene Personen angewendet werden.
Aufgrund der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie kann in einzelnen klinischen Prüfungen und/oder für einzelne Prüfungsteilnehmer die Versendung von Prüfarzneimitteln durch das Prüfzentrum zum Prüfungsteilnehmer erforderlich werden. Eine Versendung von Prüfarzneimitteln setzt grundsätzlich voraus, dass die medizinische Überwachung der Prüfungsteilnehmer gemäß Prüfplan im erforderlichen Umfang sichergestellt bleibt.
Grundsätzlich sollte das Prüfzentrum für die Versendung der Prüfmedikation zum Patienten verantwortlich sein. Falls eine ordnungsgemäße Versendung durch das Prüfzentrum (beispielsweise aus Kapazitätsgründen, aus logistischen Gründen oder aufgrund spezieller Transportbedingungen für das Prüfarzneimittel) nicht möglich ist, kann ein vom Sponsor beauftragter, direkter Transport akzeptiert werden, sofern der Sponsor einen entsprechend qualifizierten Dienstleister im Sinne eines Treuhänders oder eine Versandapotheke hiermit beauftragt. Dieser muss vom Sponsor verpflichtet werden, die Pseudonymisierung und gegebenenfalls Verblindung der Prüfungsteilnehmer gegenüber dem Sponsor durch geeignete Maßnahmen aufrechtzuerhalten.
Vor dem Versand ist zudem eine Bestätigung von Dosis und Dosierungsschemas durch den Prüfer einzuholen, die schriftlich zu dokumentieren ist.
Bei der direkten Versendung von Prüfmedikation sind Prüfungsteilnehmern ggf. schriftliche Anleitungen zur Lagerung und Rückgabe verbrauchter bzw. nicht verbrauchter Prüfarzneimittel zu übermitteln.
Sowohl bei der Versendung von Prüfarzneimitteln durch Prüfzentren als auch durch beauftragte Dienstleister muss deren Empfang, Verbrauch und Rückgabe in einer Form dokumentiert werden, die es dem die Prüfzentrum erlaubt, seinen in ICH-GCP 4.6.3 definierten Anforderungen an die Dokumentation (sog. drug accountability) nachzukommen.
Sofern die Versendung von Prüfarzneimitteln mit dem Wegfalls von bislang vorgesehenen studienbedingten Maßnahmen (z. B. Laboruntersuchungen, klinische Untersuchung etc.) verbunden ist, bedarf eine diesbezügliche Änderung des Prüfplans in jedem Fall einer Genehmigung durch die zuständige Bundesoberbehörde und einer zustimmenden Bewertung durch die Ethik-Kommission. Daher sind die beabsichtigten Prüfplanänderungen zusammen mit den beabsichtigten Änderungen bezüglich der Prüfarzneimittelversorgung der Prüfungsteilnehmer als nachträgliche Änderung gemäß § 10 GCP-V einzureichen.
Die Prüfungsteilnehmer sind über die geänderten Abläufe und ggf. Weitergabe der Kontaktdaten mit einer Ergänzung zur Patienteninformation zu informieren und sollten hierzu ihre Einwilligung erklären. Bezüglich der Information und Einwilligung in Änderungen zur klinischen Prüfung siehe auch Abschnitt Informierte Einwilligung.
Patienten die akut an einer COVID-19-Infektion erkrankt sind, sind als besonders vulnerable Gruppe anzusehen (vgl. Art. 19 Deklaration von Helsinki). Werden Patienten wegen der Schwere der Symptome stationär behandelt, kann eine weitgehende Einschränkung ihrer Autonomie vorliegen. Bei schwerem Krankheitsverlauf ist zu prüfen, ob der Patient noch eine selbstbestimmte Entscheidung für oder gegen eine Studienteilnahme treffen kann. Auf Art 27 der Deklaration von Helsinki wird verwiesen. Bezogen auf jeden Einzelfall muss nach angemessenen Wegen gesucht werden, dass einerseits das Instrumentalisierungsverbot ohne Einschränkung beachtet wird und andererseits der notwendige Kenntnisgewinn möglich ist.
Um möglichst rasch fundierte Forschungsergebnisse zu erzielen, muss die Zusammenarbeit in der Covid-19-Forschung gefördert werden, auch dadurch dass man anderen Forschungsgruppen den Zugang zu den eigenen Daten ermöglicht. Die Daten sollten in einem Format gespeichert werden, das einen Austausch mit anderen überregionalen Forschungsprojekten möglichst einfach erlaubt. Grundsätzlich sollte hierzu die Information und Einwilligungserklärung die Weitergabe von Daten und Proben an andere Forschungseinrichtungen zur Erforschung von COVID-19 als optionale Einwilligung vorsehen.
Auch bei interventionellen Studien und klinischen Prüfungen kann über die Untersuchung der im Fokus stehenden Therapie hinaus die Zusammenarbeit mit anderen Forschungseinrichtungen mit anderen therapeutischen Ansätzen sinnvoll sein. So ist bei gleichem Patientengut zu erwägen, statt mehrerer separater Studien eine Studie mit mehreren Armen durchzuführen. Dies kann dazu beitragen, den Aufwand zu reduzieren und ggf. die Anzahl einzuschließender Patienten zu senken.